Mondfieber by Dagmar Clemens

Autor:Dagmar Clemens [Clemens, Dagmar]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955207342
Herausgeber: Dotbooks Verlag
veröffentlicht: 2014-08-27T22:00:00+00:00

Die hauchdünne Sichel des abnehmenden Mondes stand über den Bäumen und wetteiferte mit den Sternen. Antonia nahm einen Schluck Rotwein. Bald würde Neumond sein, die Zeit, da die Zeugungskraft der Sonne mit der Empfängnisbereitschaft des Mondes verbunden war. Antonia war nie mondsüchtig gewesen. Aber meist verriet ihr ihre innere Uhr, wann der Mond zunahm, und dann hielt sie nach ihm Ausschau. Der abnehmende Mond stimmte sie von jeher traurig.

Sie setzte sich neben das Telefon und wählte die Nummer ihrer Schwester. Hoffentlich hatte Maja ihre Ausstellung noch nicht gemacht. Antonia wusste, dass es ihr wichtig war, die Familie dabeizuhaben.

Berthold war am Apparat. Er klang barsch, und Antonia, die auf die Stimme ihrer Schwester gehofft hatte, wurde plötzlich wütend.

»Schön, wie freundlich man begrüßt wird, wenn man sich bei der Familie meldet.«

Sie spürte ihr schneller schlagendes Herz. Noch nie hatte sie Berthold so angefahren. Dieser schwieg einen Augenblick. Und dann klang er betroffen, als er sagte: »Entschuldige, Antonia, du bist überhaupt nicht gemeint.«

Antonia runzelte die Stirn. Schon beim letzten Mal war Berthold so seltsam gewesen.

»Was ist denn los?«

»Ach nichts, wir haben zur Zeit ein bisschen Stress, aber nichts Wichtiges. Wie geht es dir denn, was machen die Pferde?«

Antonia hasste diese Frage, die immer dann gestellt wurde, wenn dem Gesprächspartner nichts wirklich Persönliches einfiel. »Sie freuen sich, wenn sie mich sehen«, sagte sie bissig.

»Sei mir nicht böse, Antonia, ich freue mich auch, dass du dich meldest.«

Antonia fühlte sich mit einem Mal müde.

»Wie geht es Maja? Ist sie da?«

»Nein.« Bertholds Stimme hörte sich verhalten an. »Sie ist bei einer Freundin, Irene Ganser oder so ähnlich.«

»Irene Glastner?«

Antonia war erstaunt. Maja hatte Irene nie sonderlich gemocht. Irene war Orthopädin und im selben Krankenhaus beschäftigt wie Jonathan. Jonathan und Irene hatten während des Studiums oft zusammen gelernt und trafen sich manchmal auch privat, um über Fälle zu sprechen.

»Seit wann ist sie denn mit Irene befreundet?«

Antonia hatte nie erlebt, das Maja ihre Meinung über eine Person revidierte.

»Seit einigen Wochen. Sie sind häufig zusammen. Maja hat da eine neue Clique, mit der sie sich oft trifft. Sie vernachlässigt sogar ihre Malerei.«

Seine Stimme klang spöttisch und gekränkt zugleich.

Antonia runzelte die Stirn.

»Was ist das denn für eine Clique, mit der sie zusammen ist?«

»Keine Ahnung, verschiedene Leute, sie gehen oft zu Jimmy's, um über Gott und die Welt zu reden.«

Jimmy's. Antonia kannte die Bar. Jonathan traf sich regelmäßig mit Kollegen dort. Sie hatten sogar einen eigenen etwas abseits gelegenen Tisch, der für sie an bestimmten Tagen reserviert war.

»Und Maja geht jetzt auch dorthin?«

»Ja, oft.«

»Hat sie erzählt, wen sie alles da trifft?«

»Unter anderem Jonathan.«

Erst am nächsten Tag fiel ihr ein, dass sie wieder vergessen hatte, sich nach Majas Ausstellung zu erkundigen.

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